Stammtisch zum Kriegsende vor 78 Jahren Mai 11, 2023Mai 11, 2023 Bei unserem Mai-Stammtisch im Restaurant Piccolo Mondo in Birkmannsweiler begrüßen wir zahlreiche Gäste, darunter auch unsere Landtagsabgeordnete Swantje Sperling. Besonderer Gast an diesem für die deutsche Geschichte wichtigen Datum ist der Stadthistoriker Martin Baier, der unseren Teilnehmenden eine kurze Zusammenfassung zu den letzten Kriegstagen in Winnenden gab. Auch nach 78 Jahren sind wir weiter darüber betroffen wie viel Leid dieser schreckliche Krieg über die Welt und auch über Winnenden gebracht hat. Wir danken ihm sehr für einen tiefen und kritischen Einblick in die Geschehnisse in unserer Stadt. KRIEGSENDE, 8.5.1945 Am 9.5. berichtet Redakteur Hermann Matthes im illegal erscheinenden „Volks- und Anzeigenblatt“ vom Kriegsende. Generaloberst Jodl unterzeichnet im Auftrag von Großadmiral von Dönitz die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches. Deutschland sei nun auf „Gnade und Ungnade den Siegermächten in die Hand gegeben“. Auch in Winnenden stehen noch amerikanische Truppen, die in Verbindung mit dem Interimsbürgermeister Emil Weishaar und dem Ausländerbeauftragten Wolfgang Best die Wahrung der öffentlichen Ordnung überwachen. Zu größeren Vergeltungstaten der Zwangsarbeiter kommt es nicht, nur vereinzelt suchen polnische und russische Fremdarbeiter ihre schlimmsten Peiniger – erfolglos. Viele werden zügig zur Rückverschickung in größere Lager verlegt. In Winnenden sind sämtliche Nahrungsmittel beschlagnahmt, die Wohnungen mit Flüchtlingen und Evakuierten überbelegt. Die amerikanische Besatzung konfisziert einige Wohnungen, die Bewohner kommen bei Freunden und Verwandten unter. Einige Gegenstände aus ihrem persönlichen Besitz verschwinden in den Taschen der amerikanischen Soldaten. In Windeseile distanziert man sich vom Reich und seiner Ideologie; die führenden Nationalsozialisten sind im Interniertenlager (Schlagenhauff, Buck, Gunzenhauser) oder tot (Bürgermeister Josef Huber). In der Stadtmitte klafft die Lücke, die der Beschuss hinterlassen hat. Im Großen und Ganzen ist man froh, dass man den Krieg nun hinter sich hat. Aber die Trauer um Gefallene und Vermisste wird die Stadt noch lange belasten. Die Schuldfrage stellt fast nur die Spruchkammer; deren Richter zeigen sich so vergebungsbereit wie der ehemalige Stadtpfarrer Pfeiffer, der Persilscheine in großer Zahl ausstellt. Winnenden, im Mai 1945 – lang ist es her; aber jeden Tag sterben Zivilisten an Raketen, die einen völkerrechtswidrigen Angriff im Osten begleiten. Wann wird hier Friede sein? https://www.instagram.com/winnendergeschichte/ Viele Nachfragen zeigten wie tief das Interesse an dem für uns Deutsche besonders prägenden Ende dieses Krieges ist. Leider tobt im Osten Europas wieder ein schrecklicher Krieg, der uns schmerzlich daran erinnert, dass die wichtigste Errungenschaft der Nachkriegszeit, Frieden in Europa, auch heute noch brüchig ist. Martin Baier klärte auch über die teilweise unrühmliche Rolle kirchlicher Träger hin. Im völkerrechtswidrigen Angriff Russlands nimmt heute der Patriarch der russisch-orthodoxe Kirche in Russland eine Position ein, die wir als Grüne verurteilen. Wir verurteilen, dass der Moskauer Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I., den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine legitimiert und religiös überhöht. https://saekulare-gruene.de/die-unterstuetzung-des-voelkerrechtswidrigen-russischen-angriffskrieges-auf-die-ukraine-durch-den-patriarchen-kyrill-i-darf-nicht-hingenommen-werden-russisch-orthodoxe-kirchen-in-deutschland-muess/ Wenn wir uns daher heute an das Kriegsende vor 78 Jahren erinnern, ist der Wunsch nach Frieden auf der Welt die Brücke in die Neuzeit und der Grund, warum eine echte Erinnerungskultur so wichtig ist. In Winnenden waren im zweiten Weltkrieg tausende Zwangsarbeitende beschäftigt, darunter auch zwei russische Männer, die in Winnenden gehängt wurden. Mit Stolpersteinen wird den Ermordeten in den Tötungsanstalten gedacht, eine öffentliche Anerkennung der Schuld an den Zwangsarbeitenden fehlt in unserem Stadtbild bisher. Ob man nicht eine Gedenktafel installieren könne, fragt Martin Baier, für die zwei an der „Hindenburg-Eiche“ getöteten Männer oder für all die in Winnenden im Zwang beschäftigten Menschen aus ganz Europa. Martin Oßwald-Parlow, Gemeinderat der Grünen und Alternativen Liste in Winnenden, wird das Thema mit in die von uns unterstützte Fraktion nehmen. Ein sichtbares Gedenken wünschen sich viele Menschen in Winnenden, darunter auch der Zeitzeuge Peter Friedrichsohn, der sich schon lange mit dem Thema befasst. Unser zweites Thema für den heutigen Stammtisch ist die Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“. Diese Initiative ist ein von den Städten Freiburg, Leipzig, Aachen, Augsburg, Hannover, Münster und Ulm ins Leben gerufene Forderung nach mehr Freiheit in der Festlegung von innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen, dem sich inzwischen beinahe 700 Kommunen angeschlossen haben. Im Rems-Murr-Kreis ist bisher nur die Gemeinde Schwaikheim beigetreten, in Waiblingen ist der Beitritt erst vor kurzem mit einer sehr knappen Mehrheit abgelehnt worden. Wir finden die Iniative unterstützenswert, schließlich wissen die Menschen vor Ort am besten wo welche Geschwindigkeit am meisten Sinn ergibt. Bisher sind die Verfahren zur Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen innerorts auch mit einem hohen Bürokratieaufwand verbunden, dies könnte durch mehr kommunale Rechte deutlich vereinfacht werden. Die dazu nötige Änderung der Straßenverkehrsordnung lehnt Volker Wissing als Verkehrsminister bisher noch ab, mit jeder Kommune, die der Initiative beitritt wird der Druck jedoch größer. Weitere Informationen: Martin Baier auf Instagram: https://www.instagram.com/winnendergeschichte/ Winnender Geschichte auf Pangloss.de: https://www.pangloss.de/cms/index.php?page=geschichte-4 Virtuelles Stadtmuseum Winnenden: https://www.virtuelles-stadtmuseum-winnenden.de/ Initiative Lebenswerte Städte und Gemeinden: https://www.lebenswerte-staedte.de/